Im TPG Podcast “Laterale Führung: wie führe ich ohne Führungsfunktion?” gebe ich Tipps für den Start mit einem neuen (Projekt-) Team. Eine der schnellen Übungen besteht in der Teamanalyse mit der Kompetenz-Motivations-Matrix aus dem Modell des Situativen Führens nach Ken Blanchard und Paul Hersey. Nachdem das im Podcast ohne Bilder immer ein bisschen schwierig ist zu beschreiben, hier nochmal zum Nachlesen. Unten finden Sie auch einen Link für die Reflexion über Ihr eigenes Team, natürlich mit Matrix zum Ausfüllen.
Die Autoren sprechen von Reifegraden der Mitarbeitenden, was ziemlich gut in die 70er passt, in denen das Modellentwickelt wurde. Ich will hier auch gar nicht in die volle Tiefe der Theorie und die komplexere Darstellung von Führungsverhalten je nach Reifegrad einsteigen. Wenn Sie das tun wollen, gibt es gute Seminare zum Thema. Allerdings empfehle Ihnen, sich nicht an das Auswendiglernen von Reifegraden und dazu passenden Führungsstilen zu machen.
Der Clou liegt nicht in der Bezeichnung, sondern in Ihrer Beobachtung und Ihrem Verhalten. Deshalb möchte ich das Grundmodell vorstellen, mit dem Sie kurz und knackig Ihr Team analysieren können:
Tragen Sie Ihre Team-Mitglieder einzeln ein. Zum Beispiel die sehr erfahrene Entwicklerin (Kompetenz hoch), die nur nach drei Anfragen ihre Zeit dem aktuellen Projekt widmet (Motivation niedrig) im Quadranten rechts unten, die Nachwuchs-Beraterin, die darauf brennt, sich einzubringen (Motivation hoch) aber noch nicht viel Erfahrung in Kundenterminen mitbringt (Kompetenz niedrig) im Quadranten links oben. Wie bewerten Sie den missmutigen Kollegen, der schon viele Projekte mitgemacht hat, aber ständig über zu viel Stress meckert und bei dem Sie fünfmal nachhaken müssen, dann aber tolle Ergebnisse bekommen?
Es leuchtet ein, dass die Kolleg:innen unterschiedlich geführt werden müssen, damit sie im Team zum Ergebnis kommen. Aus Sicht der Führungstheorien war das schon eine riesige Entwicklung – denn bis dahin galt, dass es allein an der Persönlichkeit der Führungskraft liegt, ob das gesamte Team entweder aufgaben-orientiert oder mitarbeiter-orientiert geführt wird.
Es wird aber noch besser. Denn: der Reifegrad eines Team-Mitglieds kann sich je nach Situation ändern. Sonst könnte es auch mitarbeitergerechtes Führen heißen, und wir wären wieder bei den persönlichkeitsorientierten Modellen.
Situatives Führen heisst es deshalb, weil sich derselbe Mitarbeiter in zwei verschiedenen Situation völlig unterschiedlich verhalten kann. Zum Beispiel der erfahrene Entwickler, dessen Motivation für seine Aufgabe riesengross ist, und der gerade ein tolles neues Tool entwickelt hat. Nehmen wir mal an, wir bitten ihn, im nächsten Company Meeting eine kurze Präsentation über das gerade von ihm entwickelte neue Tool zu geben. Wenn öffentliches Reden vor mehr als fünf Personen so gar nicht in seiner Komfortzone liegt, dann haben wir beim selben Mitarbeiter innerhalb weniger Minuten und nur auf die eine neue Aufgabe bezogen einen völlig anderen Punkt in der Matrix. Während er seine übliche Arbeit selbständig und proaktiv erledigt und sich mit seinen Teamkollegen abstimmt, ist das für den Erfolg der Präsentation anders. Für diese Aufgabe braucht er vielleicht ein bisschen mehr Ermutigung, mehr Kontakt zu Ihnen, oder dass Sie anbieten, sich mit ihm zusammen zu setzen, um ihm bei der Präsentation zu helfen.
Es liegt also an Ihnen als Führungskraft, Ihre Team-Mitglieder einzuschätzen und je nach Situation zu erkennen, wie Sie sich verhalten müssen, um den richtigen Effekt zu erzielen. Im einen Fall brauchen Sie mehr Motivationsgeschick, im anderen müssen Sie mehr Anleitung und Unterstützung geben, damit Ihre Mitarbeiter:innen die Aufgabe gut erledigen.
Zum Auftakt mit einem neuen Team bietet sich an, die eigenen Beobachtungen und Einschätzungen einmal festzuhalten. Dazu braucht es mehr als ein Meeting, bei dem Sie Ihr Team-Mitglied das erste Mal treffen. Entsprechend hilfreich ist es, die Matrix schon im Hinterkopf zu haben, wenn Sie Ihre Erstgespräche führen. Wie steht es mit der Motivation? Wie mit der Erfahrung und Kompetenz? Was fällt Ihnen auf?
Während in den meisten Erstgesprächen viel über Erfahrung und Expertise gesprochen wird, empfehle ich Ihnen dringend, über die Ziele und Interessen Ihrer Team-Mitglieder zu sprechen. Finden Sie heraus, was sie antreibt und was sie sich erhoffen. Es ist immer wieder spannend, wie unterschiedlich Menschen denken und fühlen. Gehen Sie mit einer Portion Neugier daran, und lassen Sie sich überraschen. Der Reflektionsbogen führt Sie durch diese und weitere Fragen, Sie finden ihn hier.