Rein faktisch braucht ein Projektmanager/eine Projektmanagerin keine Fachkenntnis. Sobald wir ein Projekt auf der Meta-Ebene von Prozessen, Strukturen, Management und Kommunikation betrachten, ist das Fachgebiet unerheblich. Projekte scheitern, weil Menschen nicht zielführend zusammenarbeiten. Wer sich also auf die organisatorische Führungsrolle konzentriert, kann jedes Projekt leiten.
Projektleitung oder Projektverwaltung?
Wer nicht aus dem Fachgebiet des Projektes kommt, muss sich mindestens so weit für den fachlichen Inhalt interessieren und darin einarbeiten, dass er oder sie den Job machen kann. Und da zu den Aufgaben des Projektleiters/der Projektleiterin die Beurteilung von Risiken und das Priorisieren von Projekt-Aufgaben gehört, braucht er oder sie schon ein gewisses Verständnis für die inhaltlichen und fachlichen Zusammenhänge. Ich nenne das „Die Finger im Dreck haben“. Man muss sich schon ein bisschen mit dem Scope auseinandersetzen, um die Probleme seines Teams zu verstehen, sonst verkommt die Position der Projektleitung zur Projektverwaltung.
Unvergessen der Release Manager, der dem Infrastruktur-Team die Freigabe für den Server-Move am Wochenende vor dem User Acceptance Test gab. Ebenso unvergessen die Projektleiterin, die sich bei der Bewertung der Risiken auf das Zählen von Anforderungen beschränkte.
Die Schwierigkeiten für fachliche Neulinge bestehen zunächst in der Beurteilung von Team-Aussagen. Jedes Projektumfeld hat andere Besonderheiten. Denken Sie an Regulatorisches im Finanzbereich oder im Baugewerbe. Die Reihenfolge und Priorisierung von Aufgaben hat bei der IT-Architektur ebenso wie beim Hoch- und Tiefbau markante Auswirkungen. Machen Sie sich schlau, welche Entscheidungen zwingend am Anfang des Projektes fallen müssen und bei welchen Inhalten Sie im weiteren Verlauf flexibel sind.
Gute Projektleiter / Projektleiterinnen lernen schnell
Gute Projektleiter/Projektleiterinnen sind offen, lernen schnell und können gut mit Menschen umgehen. Sie finden schnell heraus, von wem sie gute Informationen bekommen, wer seine/ihre Aufwandsschätzungen nicht im Griff hat und bei wem sie selbst noch etwas beweisen müssen, um fachlich anerkannt zu sein.
Suchen Sie sich Menschen im Projektteam oder in ihrem Netzwerk, die sie um Rat und Unterstützung bitten können. Wen kennen Sie, den Sie nach dem Unterschied zwischen Server und Datenbank fragen können? Wer kennt die unterschiedlichen Herausforderungen in der Abwicklung von Personen- und Sachversicherungen? Wer im Team kann Ihnen fachliche und organisatorische Hintergründe geben, damit Sie schneller ins Thema kommen?
Welche Art Projektleiter / Projektleiterin brauchen Sie?
Ein Wort an die IT-Kunden und Projektauftraggeber unter Ihnen: Die meisten Ausschreibungen für Projektmanager/Projektmanagerinnen erwarten Branchenkenntnis, teilweise auch spezielle Kenntnisse wie Programmiersprachen, Software-Tools, eigene Erfahrung im Customizing. Überlegen Sie sich, weshalb Ihnen diese fachliche Kompetenz so wichtig ist.
Haben Sie wenig Change Management, ein klares Ziel und ein erfahrenes Team? Dann ist es sinnvoll, jemand einzusetzen, der/die sich in der Materie gut auskennt und das Projekt gekonnt managen kann. Auch wenn Sie mitten im Projekt die Leitung wechseln wollen oder müssen, fahren Sie meist besser mit jemandem, der/die genau so ein Projekt schon geleitet hat.
Wenn Sie mit Ihrem Projekt aber viel Change bewirken, kritische Stakeholder haben, Ziele oder Wege der Umsetzung während des Projektes definieren wollen und/oder Ihr Team wenig Erfahrung mit dieser Art Projekte hat, benötigen Sie vor allem eine Führungskraft. Jemand mit Fokus auf Management, Organisation und Menschen.
Wie bei jeder Führungsaufgabe gilt: Fachliches kann man lernen. Den Willen, Verantwortung zu übernehmen und Neues zu gestalten bringt Ihre ideale Besetzung besser schon mit.