10 % reichen doch, oder?

von | 05.02.2019 | Projektmanagement

Beim letzten Mal ging es darum, was eigentlich ein Key User macht. Dabei kam die Frage auf: was machen Key User eigentlich nicht? Willkommener Anlass zu einer Abgrenzung ihrer Aufgabenbereiche im Projekt-Team.

Da Key User als Stellvertreter ihres Fachbereiches agieren, sind sie naturgemäss in vielen Projektbereichen involviert. So kann es schwierig werden abzugrenzen, wofür sie zuständig sind und wofür nicht.

Zuerst die einfachen Dinge

Key User sind keine Entscheider über Budgets. Das ist die Projekt-Auftraggeberin / der Projekt-Auftraggeber, englisch Sponsor. Die Priorisierung erfolgt durch den Product Owner oder eine Teilprojektleiterin / einen Teilprojektleiter fürs Fachliche. Key User geben Input für die Priorisierung und Relevanz von Anforderungen, und sie tun alles ihnen mögliche, um die Entscheidung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Fürs Budget sind sie nicht zuständig.

Key User erstellen nicht das Testkonzept, das Migrationskonzept, oder die Kommunikationsstrategie. Sie werden voraussichtlich zu allen drei Themen befragt, können und sollen auch mitwirken. Aber es ist nicht ihre Aufgabe, wesentliche Konzepte für das Projektteam zu erstellen. Das machen die Teilprojektleiter (Test), Fachberater (Migration), Change Manager (Kommunikation) und die Projektleitung. Wenn hier nicht Personalunion mit der Key User Rolle besteht, hat der Key User / die Key Userin hier keine Verantwortlichkeit.

Hier gibt’s schon mehr Missverständnisse

Key User erstellen nicht die Trainingsplanung für einen globalen Rollout. Das macht eine Teilprojektleiterin / ein Teilprojektleiter Training, die Projektleitung, das Projekt Office oder jemand in HR. Key User definieren die notwendigen Trainingsinhalte, prüfen den Teilnehmerkreis für die Trainingskurse auf vergessene Abteilungen und beurteilen, wie umfangreich das Training sein muss. Reicht z.B. ein virtuelles Training per Webex oder ist es wichtig, ein Classroom Training anzusetzen? Wie lange sollte das Training dauern, welche Adressatengruppe braucht das komplette Training, welche nur Anteile? Die Einteilung von Teilnehmern zu Trainingsterminen, Verhandlung mit den Führungskräften über die besten Termine, Raumbuchungen und Reiseplanung machen sie nicht.

Key User erstellen nicht das Trainingshandbuch. Das macht ein Trainer / eine Trainerin für die Software oder einer der im Projekt engagierten Fachberater. Ein zentrales Handbuch sollte vom Projekt-Team als Service für die Key User erstellt werden. Gleiches gilt für einen zentralen Foliensatz zu den Prozessen, die mit dem Tool unterstützt werden. Die Trainer (Key User) haben noch genug damit zu tun, ihre Folien, Übungen und Systemdaten herzustellen.

Auch schon oft gesehen

Übrigens sind Key User auch nicht die Übersetzer in alle Landessprachen. Den von ihnen selbst verwendeten Foliensatz, die Übungen für das Training, das muss nicht zentral vorgegeben werden. Im Gegenteil, das Training wird besser, wenn sich der Trainer / die Trainerin die Unterlagen auf den eigenen persönlichen Stil zugeschnitten hat. Allerdings kann man von keinem Mitarbeiter in Sales, Buchhaltung, Procurement, Marketing oder Logistik erwarten, ein 300 Seiten starkes Prozess- und Trainingshandbuch zu übersetzen. Auch der zentrale Folgesatz mit vielleicht 70 Folien ist da noch zu viel, vor allem wenn für das lokale Training nur fünfzehn oder zwanzig davon genutzt werden. Also engagieren Sie bitte ein Übersetzungsbüro, wenn die Notwendigkeit für so viele Unterlagen in Landessprache besteht.

Bei allen Abgrenzungen hier gilt: Wenn Sie möchten, dass Ihre Key User die genannten Aufgaben auch noch übernehmen, stellen Sie sie frei für das Projekt.

Wenn Ihnen das nicht möglich ist, müssen Sie Kapazität zukaufen. Das können interne oder externe Fachberater sein. Wenn Sie an Fachberatern sparen wollen oder müssen, verlagern Sie mehr auf Ihre Key User. Dann stellen Sie aber bitte sicher, dass die Experten wenigstens dafür engagiert werden, Ihren Key Usern das notwendige Wissen zu vermitteln.

Das wichtigste zum Schluss

Key User arbeiten nicht 100 % im operativen Business, auch Tagesgeschäft genannt. Projektarbeit findet nicht erst nach Feierabend oder in der Mittagspause statt. Die Frage nach der Kapazität der Key User ist regelmässig die erste, die aus dem Management-Kreis kommt. Wie viel brauchen Sie denn fürs Projekt?

10 % reichen doch da sicher, oder?

Die einfache Antwort: Nein.

Stellen Sie selbst eine Überschlagsrechnung an: in jedem Projekt gibt es Intensivphasen, zum Beispiel während des Testing oder des End User Trainings. In anderen Phasen finden Meetings und Workshops statt, ausserdem ein regelmässiger Jour Fixe für das Projekt-Team, zu dem auch Ihre Key User gehören.

Nehmen Sie weiter an, dass in allen Projektwochen eine Stunde für Mails und den Jour Fixe anfällt. In den Intensivphasen ist ein Teil Ihrer Key User ganztags im Projekt involviert. In den Phasen dazwischen findet für einen Teil des Teams eine Besprechung, ein Workshop, eine Demo oder eine Diskussion statt – sagen wir mal zwischen zwei und drei Stunden je nach Woche und Thema (und damit Key User).

Jetzt brauchen Sie nur noch eine Übersicht über Ihre Projektphasen und ihre Dauer, und Sie können den Rest selbst berechnen. Oh, und bitte bedenken Sie beim Kommunizieren der Zahl an die zuständigen Führungskräfte, dass sich hinter den vielleicht errechneten „30 %“ auch die völlige Abwesenheit eines Mitarbeiters / einer Mitarbeiterin von seinem / ihrem normalen Arbeitsplatz an bestimmten Tagen verbergen kann.

Jedes Projekt, jedes Unternehmen ist anders

Nicht jeder hat den Luxus einer internen Beratungstruppe, die dieselbe Software schon in anderen Unternehmensbereichen eingeführt hat und mit einem Koffer voll fertiger Unterlagen kommt. Ebensowenig hat jeder die Möglichkeit, zwölf Key User für ein Jahr freizustellen, auch wenn es nur zu 20 % ist. Dafür braucht auch nicht jeder ein 300 Seiten starkes Prozesshandbuch in 28 Sprachen oder einen Rollout auf vier Kontinenten gleichzeitig.

Finden Sie für Ihr Projekt die richtige Aufgabenverteilung. Nutzen Sie die Diskussion für die Rollenklärung in Ihrem Projekt-Team. Dann klappt’s auch mit den Key Usern.