Vor ein paar Wochen war ich auf einer Digitalisierungskonferenz für den Mittelstand. Wie so oft auf den Digitalisierungs-Events gab es mehrere Vorträge zu New Work, agilem Arbeiten, selbstorganisierten Teams. Und, ist es nicht grossartig? Die Propheten der neuen Welt haben überhaupt keine Probleme! Arbeiten Sie agil, dann haben Sie Erfolg!
… und dann schreiben wir so Kärtchen
Die Krönung meines Events war der junge Mann, dem ich mich gerade als Berater und Coach für Projekterfolg vorgestellt hatte. Es folgte eine Erklärung seinerseits, was das wichtigste für den Projekterfolg ist. Eine häufige Situation zwischen Männern und Frauen. Und dann mein Lieblingssatz: „Ich weiß nicht, ob Sie das kennen: Mein Team und ich, wir treffen uns jeden Freitag, und dann schreiben wir so Kärtchen…” Ich war hin- und hergerissen zwischen Lachen und Zorn. Aber er meinte das vollkommen ernst.
Ganz ehrlich, glaubt Ihr wirklich, vor Scrum hätte sich noch nie jemand mit sinnvoller Gruppen- und Teamarbeit beschäftigt?
Die Erfinder der sinnvollen Gruppenarbeit
Ich bin Sozialpsychologin, Trainerin, Moderatorin, Management Consultant und Coach. Ich weiss schon gar nicht mehr, in welcher Ausbildung ich der Kärtchen-Abfrage das erste Mal begegnet bin. Vermutlich in der Ausbildung zur Bankkauffrau im Jahre 1990, die war damals schon ziemlich modern.
Es ist grossartig, dass auch in den technischen Teams mittlerweile soziale Techniken und Methoden Einzug gehalten haben, die sie während des Studiums eher in den Bereich der Sozialpädagogik gepackt und belächelt hätten. Und mein Psychologenherz lacht, wenn offene Kommunikation, gemeinsame Planung und Retrospektiven an der Tagesordnung sind. Wieso nur sollen wir das alles Scrum & Co verdanken? Wer sein Projekt klug führt, kann dasselbe Ergebnis in jedem methodischen Umfeld erreichen.
Agiler Mindset schlägt agile Methoden
Also machen Sie sich nicht zum Sklaven einer Methodik. Und lassen Sie sich nicht einreden, dass es eine allein seligmachende Art gibt, die Dinge zu tun. Entscheiden Sie für Ihr Vorhaben, was Sinn macht. Gerne agil, gerne durchgeplant, gern mit festem Scope, gern mit klarem Ziel. Und tappen Sie nicht in die Falle, sich über jedes Scheitern erhaben zu fühlen. Sh*t happens, wie es so schön heisst. Und dann brauchen Sie Ihren agilen Mindset noch mehr als die agilen Methoden, um aus der Krise wieder auf Erfolgskurs zu kommen.
Dem jungen Mann hab ich übrigens gewünscht, dass er weiterhin so viel Erfolg in seinen Projekten hat. Und falls das mal nicht so sein sollte, weiß er ja nun, wo er mich findet.
Folge 20 der Serie “Project Success Trap of the Week – Beliebte Fallen für Ihren Projekterfolg”.