Falscher Ehrgeiz

von | 15.03.2019 | Projektfalle der Woche

Ich kenne einen Projektleiter, der versucht hat, sein Projekt aus eigener Kraft zu retten. Bei genauerer Betrachtung kenne ich sogar mehrere. Durch persönlichen Einsatz, Übernahme zusätzlicher auch inhaltlicher Tätigkeiten und lange Nachtschichten hatte er das Erreichen des Meilensteins herbeigeführt. Was er dabei leider versäumt hat, waren seine ureigenen Aufgaben als Projektleiter.

Projektleiter sind nicht ihr eigenes Team

Ihr Job ist es, den Überblick zu behalten und alle wirkenden Kräfte auf das gemeinsame Ziel hin zu steuern. Wer sich ins operative Doing begibt, kann leicht darin untergehen. Sie finden das unkollegial? Ich finde es unkollegial, wenn derjenige oder diejenige, der/die für alle die Prioritäten setzen und dafür sorgen soll, dass das gemeinsame Ergebnis vom Kunden gewürdigt wird, diese Aufgaben vernachlässigt.

Die Folgen der vermeintlichen Kollegialität

Die Folge ist ein uninformierter Kunde, das höhere Risiko, den Meilenstein nicht zu schaffen, die Zusatzbelastung nicht nur beim Projekteiter/der Projektleiterin, sondern auch bei allen anderen im Team, weil niemand die Hand gehoben hat und darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Kapazität nicht reicht. Dem folgen dann spannende Diskussionen mit den Teamleitern über die Ressourcenlage, irritierte Reaktionen auf Seiten des Kunden, wenn ohne Vorbereitung größere Anteile an der Leistung nicht geliefert werden, und je nach Unternehmenskonstellation auch noch Ärger mit dem/der eigenen Vorgesetzten.

Der Überblick geht verloren

Es ist wie beim Fussball. Wenn der Trainer/die Trainerin am Spielfeldrand steht, sieht er oder sie die Spielzüge beider Teams, die Stärken und Schwächen der eigenen und der gegnerischen Mannschaft. Wenn er oder sie anfängt mitzulaufen, immer den Ball im Blick, schränkt sich seine/ihre Perspektive ein. Und so geht der Mannschaft der wichtigste Rückhalt verloren: die Instanz, die den Überblick hat und dem Team die Orientierung geben kann, während die Spieler den Ball in Bewegung halten. 

Viele Faktoren begünstigen dieses Verhalten

Vielleicht ist es auch gar nicht persönlicher Ehrgeiz, der hier am Werk ist. Vielleicht ist es ein falsches Selbstverständnis. Zu viel Gutmütigkeit. Eine nicht vorhandene Akzeptanz von Projektleitung als Führungsaufgabe. Eine nicht übergebene Vollmacht des/der Vorgesetzten, Änderungen herbeizuführen. Eine Unternehmenskultur, die Fehler, Ausfälle und Scheitern nicht toleriert. Eine unklare Rollenverteilung zwischen Projektleitung und Team. Es gibt viele Faktoren, die ein solches Verhalten begünstigen.

Fragen für das nächste Mal

Wenn Sie das nächste Mal in Versuchung sind, Ihrem Team eine Aufgabe abzunehmen und sie selbst zu übernehmen, fragen Sie sich: Wie kann ich meinem Team und unserem gemeinsamen Erfolg am besten nützen? Indem ich die Aufgabe selbst erledige, oder indem ich dafür sorge, dass sie von jemand anderem erledigt wird? Natürlich haben Sie das schon erwogen und dabei herausgefunden, dass im Moment niemand zur Verfügung steht. Sonst wären Sie ja nicht in Versuchung, selbst Hand anzulegen.

Was bringt Ihrem Team mehr?

Was also bringt Ihrem Team mehr? Wenn Sie sich ins Getümmel stürzen? Oder wenn Sie den relevanten Stellen mitteilen, dass es ein Problem im Projekt gibt und für eine nachhaltige Lösung sorgen?

 

Folge 14 der Serie “Project Success Trap of the Week – Beliebte Fallen für Ihren Projekterfolg”.